2 Monate Auszeit mit dem Folkeboot – bis zur „Dark Side of the Moon“ – 2. Teil

Hier die nächsten 12 Etappen….

Von Bernd und Isolde Miller.

  1. Stensö-Longviken

Laut Hamnguiden gibt es hier kurz vor Kalmar Gästeplätze. Wir finden allerdings keinen Hafenmeister, der örtliche Segelclub ist nicht zuständig und die Kommune nicht erreichbar. Nach der Besichtigung vom Schloß in Kalmar finden wir einen Zettel am Steg, dass die Plätze privat sind und wir bis morgen weg sein müssen.

  1. Kalmar

Wir verholen am nächsten Morgen in den Gamle Hafen von Kalmar. Hier gibt es eine eindrucksvolle Schlossanlage und eine sehenswürdige Altstadt. In den alten Wasserturm sind Wohnungen mit bester Aussicht eingebaut. Wir kommen im Seefahrtsmuseum ins Gespräch mit dem Museumsleiter. Als er erfährt, dass wir mit Folkebooten unterwegs sind, wusste er sofort woher, weil der Hafenmeister aus Ekenäs ihn angerufen und erzählt hat: „there are two beautiful Folkboats on the way“ (wir haben uns auf Englisch unterhalten). Wir bekommen hier wertvolle Tipps für den weiteren Verlauf unserer Reise.

  1. Pataholm

Mit Stecken (Ausbaumer) und Rumpfgeschwindigkeit geht es bei 4 Bft unter der Kalmarsundbrücke durch bis wir oberhalb der Insel Skägenäs in die Schären in Richtung Pataholm einfädeln. An dem ehemaligen Verladesteg für Holz bleiben wir die einzigen Gäste. Ohne Infrastruktur bleibt die Gebühr mit umgerechnet 9 € sehr moderat. An dem nahegelegenen Dorf mit 26 Häusern scheinen die letzten 100 Jahre spurlos vorbeigezogen zu sein. Eine junge Frau segelt mit ihrem Freund in einem alten Klinker-Fischerboot mit Lugger-Segel zwischen den Schilfinseln und Untiefen durch. Es gibt ein tolles Cafè mit großem Garten und eine Kunstgewerbe-Galerie. Wir bleiben auch noch den nächsten Tag hier und erkunden das Labyrinth aus alten Eichenwäldern, Sumpfgebieten und Meeresarmen. Eine 2m dicke zerfallende Eiche begeistert mich als Baumpfleger ganz besonders.

  1. Stora Kättelsö

Das erste Felsanker-Manöver unserer Reise steht bevor. Unter Segel ist das kaum zu machen. Die Bucht ist eng, der Wind davor ist extrem drehig und am Ende ist ein Wrack in der Seekarte eingezeichnet. Also Anker klar machen, den Außenborder auspacken und starten, runter mit den Segeln. In der Mitte der Rinne fällt der Anker und wir tasten uns an die Steinbrocken ran, bis wir dort festmachen können. Nach dem verdienten Anleger-Whisky machen wir einen Erkundungsgang über unsere atemberaubend schöne Schären-Insel. Immer wieder stoßen wir auf die Spuren der früheren Nutzung des Steinabbaus. Die totale Einsamkeit wird dann unterbrochen durch einen einlaufenden Trimaran, der wohl auch den Hamnguiden hat. Beim Spaziergang am nächsten Morgen begegne ich 3mal einer Hirschkuh (vermutlich immer dieselbe) und sehe einen Uhu davonfliegen. Zwischen drin gibt es immer wieder jede Menge Blaubeeren als Zwischenmahlzeit.

  1. Grytmars Enholme

Unser nächstes Ziel liegt nur 2 sm weiter, aber es wäre schade gewesen, hier nur vorbeizusegeln. Diese Schäre ist in einer Stunde zu Fuß zu umrunden. Am Abend reißt der bedeckte Himmel nochmal auf und taucht alles in eine mystische Stimmung. Dann versacken wir am Lagerfeuer und fühlen uns in der faszinierenden Schärenwelt angekommen.

  1. Fiegeholm

Wir kreuzen in der mit Tonnen gekennzeichneten Rinne nach Fiegeholm. Wenn es der Tiefgang erlaubt, verlassen wir diese auch mal für längere Schläge. Dabei umrunden wir sehr knapp eine Untiefe an der 3m-Wasserlinie. Ruedi hält mit der Solvejg sicherheitshalber mehr Abstand und sitzt im angeblich 3-6m tiefen Bereich auf einem Stein auf. Der ist weder in der Seekarte noch im Navionics eingetragen. Wir lernen, dass hier außerhalb gekennzeichneter Fahrwasser die Vermessung nur rudimentär ist.

  1. Stora Förö

Beim Auslaufen unter Segel in der Fahrrinne motort neben dem Fahrwasser eine größere deutsche Segelyacht, dessen Mannschaft schon im Hafen unangenehm aufgefallen ist, im untief eingezeichneten Bereich und sitzt fest. Wir sollen zu Ihnen rüberfahren und eine Leine für eine andere Yacht zum Rausziehen überbringen. Da niemand in akuter Gefahr ist, wollen wir das Risiko nicht eingehen und werden belehrt, dass das keine Seemannschaft ist – interessante Sichtweise! Die von Navionics vorgeschlagene Rute schlängelt sich durch ein Gewirr von zahlreichen Schären. Manche Engstellen sind mit Tonnen gekennzeichnet. Mit 3-4 Bft Wind und 5-6 kn Fahrt genießen wir die unglaublich abwechslungsreiche Landschaft. Nach 20 sm sind wir schon an unserer ausgesuchten Insel. Wir biegen in die geschützte Bucht ab, starten den Motor, bergen die Segel und steuern die empfohlene Felsankerstelle an. Ca. 30 m vor dem Felsen lasse ich den Anker fallen und die Leine reicht gerade, dass Isolde an Land kommt, Felsnägel einschlägt und die Vorleinen festmacht. Ruedi und Bea kommen mit der Solvejg längsseits und wir machen auf dem hohen Felsen mit gigantischer Aussicht Brotzeit. Dann wechseln sich Gewitter und Sonnenschein ab. Über Steine springend erreichen wir die Nachbarinsel Lilla Förö und schauen genüsslich auf unseren schönen Ruheplatz. Am nächsten Morgen beginnen wir mit einem ausgedehnten Spaziergang über und um die Schäre. Kiefern wachsen aus engen Spalten in rund geschliffenen Granitblöcken. Der Untergrund ist zum Teil dicht mit Flechten und Moosen bedeckt. Immer wieder Blaubeeren zum Sattessen. Der Blick schweift über Schilfbuchten zur nächsten Schäre – absolut traumhaft.

  1. Spårögloet

Wir segeln mit 5 bis 6 kn Fahrt nach Norden durch die Schärenwelt bis wir an eine enge Felsdurchfahrt zu unserer Schäre kommen. Die Einfahrt ist etwas verdeckt und man traut sich kaum, da einzufädeln –  zu beiden Seiten ragen hohe Steilwände auf, aber immerhin kommt der Wind von achtern und schiebt uns durch bis vor die geschützte Bucht. Hier müssen die Segel runter und wir tasten uns vorsichtig zwischen den sichtbaren und den Unterwasserfelsen durch – alles mit dem iPad auf dem Schoß – dann noch über eine 1,8 m flache Schwelle und wir sind drin in unserer Felsanker-Bucht. Aufgrund der Nähe der Stadt Västervik sind wir hier nicht alleine – neben anderen Seglern sind auch 2 Motorbratzen in der Bucht.

  1. Vestervik-Notholmen

Wir müssen heute nur zur Versorgungstour 4,5 sm nach Vestervik. Gut, dass wir ausschließlich das Sturmgroß setzten, denn der Wind mit um die 6 Bft hat heftige 8-er Böen im Gepäck, die uns trotz gefiertem Traveller waschbord drücken und auf bis 7 kn beschleunigen.

  1. Visby (Gotland)

Zum Sonnenaufgang um 4:40 Uhr haben wir die Leinen schon los und segeln aus dem Hafen durch den markierten Tonnenweg aus den Schären. Trotz wenig Wind läuft das Boot gut, da wir kaum Welle haben. Dann geht es über 50 sm geradeaus Richtung Visby, die größte Stadt von Gotland. Auf halber Strecke kommen uns mehrere Boote entgegen, die wohl ähnlich früh gestartet sind. Schon am späten Vormittag kommt Gotland in Sicht und die Unendlichkeit vom Meer hat ein Ende. Dann briest es auf, wir segeln wieder um die 6 kn und können das letzte Stück sogar noch den Stecken setzen. Von aller Weite sehen wir schon 2 monströse Kreuzfahrtschiffe am Hafeneingang an der Pier. In den kleinen Privathafen werden wir nicht reingelassen, kommen aber im danebenliegenden Fischerhafen unter. Hier liegt es sich viel besser, als im großen Touri-Hafen mit den riesengroßen Plätzen und den an Peinlichkeit, Dekadenz und Mafiosität nicht zu überbietenden Bonzenyachten. Die Altstadt Visby mit ihrer kilometerlangen Stadtmauer, den wunderschön verzierten Häusern, den Kirchenruinen und dem außergewöhnlichen Botanischen Garten ist sehr sehenswert. Daher ist auch der Marktplatz übersäht mit Touri-Kneipen und langen Warteschlangen davor. Irgendwie entdecken wir abseits in einer Gasse eine „German Bier-Hall“, wo offensichtlich sonst nur Einheimische sind. Hier gibt es ein leckeres Essen (ich nehme Dorsch mit Kartoffelspalten) und ein IPA.

  1. Lickershamn

Als Kontrast zu Visby ist uns Lickershamn von einem Folkebootsegler in Västervik empfohlen worden. Mit ausgebaumter Fock segeln wir entlang der wunderschönen Küstenlinie mit ihren bizarren Kalksteinfelsen entlang bis zu dem kleinen Hafen mit Badestrand. Bea telefoniert mit dem Hafenmeister, weil der Bezahlautomat nicht funktioniert und erfährt ein entspanntes „its for free“. Ein Spaziergang zu einer ausgesetzten,sagenumwobenen Kalkstein-Stele, genannt „Jungfrun“ und einem alten Beobachtungsbunker bietet grandiose Ausblicke über das Meer und die Küstenlinie. Abends verfärbt sich der zum Teil wolkenbedeckte Himmel erst tiefblau und Minuten später feuerrot. Hier beschließen wir, Gotland komplett zu umrunden.

  1. Farösund Fiskehamn

Bei Sonnenschein mit ablandigen 5-7 Bft waschbord ohne Welle ist erst mal echtes „Barfußsegeln“ angesagt. Ab der Nordspitze dreht der Wind auf Ost und kommt uns mit 8-er Böen und viel Welle direkt auf die Nase. Gut, dass wir heute das Sturmgroß aufgezogen haben. Da in Farösund die Gästepier ungeschützt im Wind liegt, gehen wir lieber auf der Rückseite in`s Päckchen zu einem heimischen Fischerboot. Auch hier können wir ohne spezielle App nicht bezahlen und als später der Hafenmeister mit seinem Rollator auftaucht, rechnen wir ihm vor, was wir zu bezahlen haben – er akzeptiert kommentarlos.

Das weitere Geschehen kommt demnächst….