2 Monate Auszeit mit dem Folkeboot – bis zur „Dark Side of the Moon“ – 3. Teil
Hier die nächsten 11 Etappen….
Von Bernd und Isolde Miller.
- Botvaldevik
Wir legen ab, als sich der Morgennebel lichtet und laufen gut mit halbem Wind durch den Sund zwischen Gotland und Farö. Dann aber steht eine ordentliche Welle, die nicht zu dem schwächelnden Wind passt und unsere Tagesetappe endet nach 25 sm in einem kleinen Fischerhafen. Dort ist der Tiefgang im hinteren Becken 1,5 m – perfekt für unsere Folkeboote. Alte Fischerboote, ausrangierte Trawler und Angelkähne prägen den Hafen. Es gibt hier nur Strom und ein Kompostklo – kein Trinkwasser. Zu wenig, um Hafengebühren zu verlangen. Wir fühlen uns, wie auf Bullerbü (von Astrid Lindgren).
- Ljugarn
Der Wind ist erst mal jämmerlich. Die Flautenlöcher überwinden wir mit unserem Außenbord-Quirl. Ruedi nennt seinen E-motor „Stabmixer“. Später gibt es doch noch Rauschefahrt und wir kringeln im Hafen zum Segelbergen. Ein 80-jahriger ortsansässiger Kajütjollen-Segler, der vor dem Hafen seine Runde dreht, sagt uns später, dass wir mit 1,2 m Glück hatten, nicht im Schlamm steckengeblieben zu sein. Er ist übrigens der einer von zwei Seglern (es gab auch keine Motorbootfahrer), die wir in diesen Tagen an der Ostküste Gotlands zu Gesicht bekommen – daher meine Gedanken über „The dark Side of the Moon“. Am nächsten Tag legt der Wind auf Sturmstärke zu und dreht in der Nacht auch noch, dass der Schwell in die Hafeneinfahrt läuft und unsere Boote gegen die Pier schlägt. Wegen der Windangriffsfläche bergen wir die Kuchenbuden – auch kommen alle Fender und Leinen zum Einsatz, aber diese Nacht wird die unruhigste der gesamten Reise. Da auch heute an das Auslaufen nicht zu denken ist, verbringen wir den Tag mit Wäschewaschen, Besuch der kleinen örtlichen Museen und Spaziergängen. Eine dabei am Strand gefundene, versteinerte Koralle wiegt ca. 2 kg und ich stifte sie lieber gleich dem Fossilienmuseum, als sie mitzunehmen. Ein ehemaliger Folkebootsegler besucht uns und ist begeistert. Später kommt er wieder und schenkt uns sein Buch über die Schwedischen Folkeboote. Wir wollen noch die nächste Nacht beim Hafenmeister bezahlen, aber da wir um 4 Uhr ablegen wollen, winkt er ab: „Dann kostet das nichts mehr“.
- Burgsvik
Bei 2-3 Bft segeln wir heute über 50 sm die Ostküste Gotlands entlang, runden das Südkap mit dem von weitem sichtbaren Funkmast und segeln noch etwas die Westküste hoch bis zum nächsten Hafen Burgsvik. Der ist eigentlich nur eine alte Laderampe für die frühere Schleifsteinfabrik, wo man noch einen Schwimmsteg für die kaum vorhandenen Gäste befestigt hat. Immerhin gibt es ein Restaurant mit teurem, aber sehr gutem Essen.
- Nabbelund (Öland)
Um 4 Uhr – kurz vor Sonnenaufgang – legen wir ab und auf der Höhe der kleinen vorgelagerten Insel mit dem Leuchtturm Näsrevet taucht neben uns eine Robbe auf – dann werden es immer mehr und sie machen einen neugierigen Eindruck. Mit dem Fernglas sehen wir mindestens 100 Robben, die sich auf den Felsen räkeln. Das Geheule der Tiere ist noch weit zu hören. Ich fixiere die Pinne und das Boot läuft stundenlang am Wind geradeaus. Am frühen Nachmittag taucht dann der Lange Erik am Horizont auf. Dieser Leuchtturm markiert die Nordspitze Ölands. Der Hafen Nabbelund liegt in einer Lagune und ist neben einer alten zerfallenen Ladebrücke entstanden, auf die eine Schmalspur-Eisenbahn gefahren ist. Wegen der alten Eichen im nahegelegenen Naturschutzgebiet „Trollskogen“ haben wir Öland als eigentliches Reiseziel ausgewählt. Weil der Hafenmeister am nächsten Morgen keine 4 Fahrräder hat, laufen wir halt die insgesamt 15 km. Ein Teil des Gebietes ist gut erschlossen, ein anderer Teil gleicht einem Pfad durch einen „Urwald“ mit mächtigen, zum Teil umgestürzten Eichen. Am Strand liegen Reste des 3-Mast-Schoners „Swiks“, der 1926 untergegangen ist und Jahre später an den Kiesstrand gespült wurde. Die mystischen Kiefern mit den Kringel-Stämmen sind vermutlich durch Verbiss im Weidewald entstanden. Im Wald verteilt sind viele Steinhügel-Gräber, die noch nicht archäologisch untersucht wurden. Das gesamte Areal ist durch einen Steilwall begrenzt, der ein „heiliges Gebiet“ markiert. Als wir nach dem Fußmarsch wieder am Hafen ankommen, gibt es wieder Fahrräder, die wir sogleich ausleihen und noch zum Leuchtturm radeln. Oben in 32 m Höhe bläst uns der Wind um die Ohren, aber die Aussicht ist gigantisch.
- Sandvik
Heute sind wir vorsichtshalber mit Sturmgroß unterwegs, aber der Wind kommt nicht über 5 Bft. Wir besuchen in Sandvik die größte Windmühle Nordeuropas mit 8 Stockwerken und einer beeindruckenden Mechanik mit riesigen Holzzahnrädern.
- Borgholm
Das Ablegemanöver in Sandvik unter Segel gegenan durch die schmale Ausfahrtsrinne bereitet mir erst Kopfarbeit (in der Schweiz sagt man „hirnen“ dazu) und dann mit der entsprechenden Anfahrt und Schwung sehr viel Freude. Weil an Land ein anderer Wind herrscht, wie weiter draußen, ergibt sich im Plotter beim Kreuzen ein interessantes Sägezahnmuster. Im Hafen von Borgholm bergen wir erst an der Heckboje unsere Segel. Beim Spaziergang zur Burgruine kommen wir an zahlreichen toten, aber noch stehenden Ulmenstämmen vorbei. Eine Infotafel weist auf das Ulmensterben und die extra stehengelassenen Stämme für den „Woodpicker“ (Specht) hin. An den beeindruckenden Burgruinen-Mauern brüten zahlreiche Mauersegler, die halsbrecherische Manöver durch die offenen Fensterluken steuern.
- Stora Rör / Mörbylånga
Da der kaum vorhandene Wind einschläft, legen wir in Stora Rör an und machen eine Kaffee-Kuchen-Badepause. Erst am Nachmittag können wir Richtung Kalmarsund-Brücke weitersegeln. Der Wind mit 3 Bft kommt von vorne und die Brücke hat nur eine Durchfahrt. Da müssen die Kreuzschläge nicht nur wegen der Untiefen gut geplant sein, sondern auch, dass wir knapp an der Luvseite die diagonale Durchfahrt ansetzen. Natürlich kommt im falschen Moment Gegenverkehr und wir sind hier auf einer „Schifffahrtsstraße“ ausweichpflichtig. Also überluven, Fahrt rausnehmen und Gegenverkehr durchlassen. Da wir auf dieser „Straße“ nicht weiter ausweichen wollen, suchen wir lieber einen Weg zwischen den zahlreichen Untiefen in unsere Richtung. Der Molenkopf von Mörbylånga ist in Leuchtorange angemalt und von weitem sichtbar. Wir segeln durch die Einfahrtsrinne und drehen vor dem Anlegen eine Orientierungsrunde im Hafen, der dafür herrlich Platz bietet. Der Platz, der im Handbuch mit „wenig Atmosphäre“ beschrieben wird, ist von der Kommune liebevoll ausgestattet und betreut. Bevor die Sonne unter- und der Vollmond aufgeht genießen wir noch ein schweizer Kartoffelgratin von Ruedi zum gewohnt reichhaltigen Salat von Isolde. Wir baden noch ausgibig in der 20° warme Ostsee und ich finde auf dem Weg einen riesigen Hirschkäfer – er besiedelt das Totholz uralter Eichen.
- Grönhögen
Unsere nächste Etappe führt uns an die Südspitze von Öland nach Grönhögen. Wir sind schon fest an der Pier, da drehen Ruedi und Bea mit dem Stabmixer noch eine Runde, um zu uns in‘s Päckle zu kommen. Währenddessen legt der Skipper einer 40-Fuß-Jacht, die ganz hinten im Hafen an der Tankstelle war, den Hebel auf den Tisch und braust durch das Hafenbecken. „Geht`s noch?“ denke ich. Immerhin setzt er zu einen Bogen um die Solvejg an, aber dann folgt er offensichtlich dem Weg auf dem Plotter Richtung Hafenausfahrt und die Skipperin sortiert Leinen auf dem Vorschiff. Alle brüllen, Bea pfeift super laut und der Pilot reißt den Hebel nach hinten – der Motor heult auf, Schaum gischtet hinter der Jacht. Die Solvejg ist verdeckt und ich erwarte jetzt ein fürchterliches Krachen und mache mir vor allen Sorgen um Bea und Ruedi. Der schätzt später, es waren noch knapp 50 cm zum Boot. Die gute Mahagoni-Solvejg (und nicht nur die) kann ihren 2. Geburtstag feiern! Immerhin werden sie gefragt, ob alles ok sei. Das zu verdauen, dauert eine Weile. Nächsten Morgen suchen wir uns Fahrräder (mit steckendem Schlüssel) aus dem Angebot des Verleihers aus, werfen je 10 € in den Briefkasten und radeln los zu dem mit 42 m höchsten Leuchtturm Skandinaviens mit Namen „Långer Jan“. Der Aufstieg mit den 197 Stufen – einige mit versteinerten Tintenfischen im Kalk – wird belohnt mit dem Blick auf die Landzunge und den vorgelagerten Steinbänken mit Robben und Vögeln. Dann besuchen wir im Landesinneren das ausgegrabene und wiederaufgebaute Wikingerdorf Eketorp und tauchen in die Geschichte der Insel ein.
- Sandhamn (Kalmarsund)
Wir pflügen bei um die 5 Bft gegenan. Der blaue Streifen am Horizont wird immer breiter bis die Sonne zum Vorschein kommt – super Segeltag! Später schießen wir bei halbem Wind mit 6 kn in das großzügige Hafenbecken, kringeln dort, bergen die Fock und halten nach geeigneten Liegeplätzen Ausschau. Der Skipper einer großen ablegenden Segelyacht aus Polen brüllt: „It is forbidden, to sail in the Harbour“. Ich entgegne: „only for People, who are not able to sail“ und er fuchtelt mit den Armen. Weil die Fingerstege alle reserviert sind, gehen wir an die Pier, obwohl da steht: „>12m“. Der Hafenmeister schaut erst kritisch, dann sagt er „zusammen sind die zwei Folkeboote ja länger, als 12 m“.
- Arpö
Wir folgen dem Tonnenweg in die Schären der Hanö-Bucht. Karlskrona lassen wir an Steuerbord liegen und wollen lieber in die Schärenwelt eintauchen. Dabei segeln wir unter einer 18m hohen Brücke zum „Östra Fjorden“ durch und melden uns zur Öffnung der Drehbrücke bei Hästholmen an. Wenn wir weiterhin mit Rumpfgeschwindigkeit unterwegs sind, könnten wir es zur vollen Stunde um 18 Uhr schaffen – ja es reicht noch zum Beidrehen und Motor klarmachen. Wir folgen der im Navionics vorgeschlagenen gestrichelten Line zu unserem im Hamnguiden ausgesuchten Steg an der Schäre Arpö und liegen dort mit Heckanker sicher geschützt. Vor dem alten Steg ragt ein hoher rundgeschliffener Granitfelsen auf, der oben mit einer Bankgarnitur und einem Ausblick in den verschlungenen Svängsund einlädt. Wir speisen auf diesem paradiesischen Fleck, lassen den Tag mit Rotwein ausklingen und uns vom Abendlicht verzaubern.
Am nächsten Morgen machen wir noch einen großen Spaziergang durch die Insel und finden wuderschöne Granit-Trockenmauern, alte Eichenwälder und ein privates Ferienhaus, das aus dem Naturschutzgebiet ausgeklammert ist. Ein hohler Eichenstamm muß für Troll-Bilder herhalten.
- Tjärö
Mittags legen wir vom Steg ab und segeln vorsichtig durch den Sund. Die Tiefe ist zwar mit 2,5 m angegeben, aber richtig vermessen ist das nicht – es sind nur einzelne Steine verzeichnet (vermutlich da, wo schon mal jemand hängen geblieben ist). Auf dem Weg nach Tjärö wechseln die Bedingungen zwischen enger Schärenwelt und offenem Wasser ab. Mit einem Schrick in den Schoten laufen die Folkeboote zwischen 5,5 und 6,5 kn. Kurz vor dem Sund zu unserer Felsankerstelle machen wir einen Aufschießer, bergen die Segel und tasten uns unter Motor an den steilen Granitfelsen. Schmale Grasstreifen markieren die Spalten, in die sich die Felsnägel eintreiben lassen. Vor uns türmt sich ein 30 m hoher Block auf, den man noch gerade so auf Reibung hochlaufen kann. Auch hier wieder ein phantastischer Ausblick. Am frühen Morgen Joga am Gipfel machen, in der 20° warmen Ostsee baden gehen, Frühstücken und zu Fuß die Insel erkunden – was will man mehr? Wir sind hier ungewohnt nahe an der Zivilisation und in der nächsten Bucht ist schon mehr Rummel mit Gastronomie, Stegen und Ausflugsschiffen.
Das weitere Geschehen kommt demnächst….