2 Monate Auszeit mit dem Folkeboot – bis zur „Dark Side of the Moon“ – 1. Teil

Hier die ersten 7 von 40 Etappen.

Von Bernd und Isolde Miller.

Diese Metapher ist mir auf der Ost-,  also der Rückseite von Gotland eingefallen, weil es da so einsam ist, dass wir manchmal nicht einmal Hafengebühr bezahlen mussten. So weit zu segeln war gar nicht der Plan, aber der Reihe nach:

Dieses Jahr war es uns möglich, 2 komplette Sommermonate aus dem Alltags- und Berufsleben freizuschaufeln und eine längere Ostseereise anzugehen. Wir, das sind Isolde und Bernd vom „Kleiner Blaupfeil“ F GER 998 sowie Bea und Ruedi von der „Solvejg“ F SUI 40, haben geplant, in Greifswald einzuwassern, zumindest bis zu den uralten Eichen an der Nordspitze von Öland zu segeln und uns auf dem Weg dorthin in die Ostschären zu wagen. Beinahe wären wir doch nicht losgefahren, weil wir meinen sterbenden Vater nicht alleine lassen konnten – 4 Wochen vorher hat er dann seine letzte große Reise angetreten…

Aus unserer Planung wurde nach den knapp 1000 Kilometern Autobahn eine knapp 1000 Seemeilen lange Reise (946 sm), 40 Etappen (davon 55 Tage auf dem Wasser) von Greifswald über Rügen, Bornholm, die Erbseninseln nach Utklippan. Weiter entlang der Ostküste von Schweden durch den Kalmarsund in die hier beginnenden Ostschären. Aus dem geplanten Ausflug nach Gotland wurde Rund Gotland und von dort segelten wir zu unserem eigentlichen Ziel Öland. Auf dem Heimweg ging es durch die Schärenwelt der HanØbucht und von hier die Südküste von Schweden entlang und zurück über Hiddensee und Rügen wieder nach Greifswald.

Wir hatten ausgemusterte Raudaschl-Regattasegel aufgezogen und unser bewährtes Sturmgroß (mit Innenbogen und ohne Latten) im Gepäck. Die Stromversorgung für die Navigation und das Handy lief wegen dem geplanten Aufenthalt in den Schären über ein 130 Watt-Solarpaneel und eine Li-Fe-Po-4-Batterie. Unser gebraucht angeschaffter 2,4 PS Suzukki-4-Takt-Kurzschafter (mit tiefergelegter Halterung) kam bei seltener Flaute und den Felsankerstellen in den Schären zum Einsatz. Dieser hat sich für unsere Ansprüche bestens bewährt. Er ist in den ca. 12 Stunden Laufzeit mit einem einzigen 5 Liter Sprit-Kanister ausgekommen. Wir hatten maximal 18 Liter Trinkwasser dabei, was für 2 Leute gut 3 Tage reicht, wenn außer dem Trinken alles andere mit Ostseewasser erledigt wird – auch das Kochen. Überwiegend haben wir unsere Mahlzeiten selber zubereitet – mit einem Kocher auf jedem Boot, Dazu gab es häufig geräucherte Fischwaren. Ab und zu sind wir zum Essen gegangen. Wir waren sowohl mit Papierkarten und dem schwedischen Hamnguiden 7 als auch mit Navionics auf dem iPad ausgerüstet. Und wer dabei immer alles richtig machen und auf keinen Fall Felskontakt riskieren will, der muss halt daheim bleiben!

Nachfolgend gibt es wieder Auszüge aus den Aufzeichnungen vom Logbuch und ein paar Bilder für euch. Nach dem Einkranen, Einräumen und Klarieren im Marina Yachtzentrum Greifswald geht die Reise von Greifswald nach:

  1. Seedorf

Frühstück gibt es am Steg bei Sonnenschein, dann motorsegeln wir den Kanal von Greifswald  zur Ostsee und verpassen knapp die Brücke bei Wieck – es regnet inzwischen aus Kübeln. Später kurbeln 2 Jungs die Zugbrücke von 1887 von Hand hoch und winken uns durch, bevor sie die Ampel auf grün stellen. Dann setzen wir Sturmgroß und Fock und segeln mit dem Wind schräg von achtern über Rumpfgeschwindigkeit über den Bodden. Die Wellen werden höher und die Böen giftiger. Der enge Tonnenweg zu unserem geplanten Ziel Thiessow beginnt, bevor wir in die Abdeckung kommen. Das ist mir zu heiß und wir drehen ab nach Seedorf – das letzte Stück in den Sund laufen wir unter Top und Takel bis zum Steg.

  1. Sassnitz (Rügen)

Wir genießen das entspannte Sonnensegeln bei 5 kn Fahrt Richtung Kreideküste. Vollzeug fahren wir in den Hafen von Sassnitz und müssen aufkreuzen. Dabei nützen wir den Platz jedes Mal bis zum Ende aus, was uns den Spruch eines Hafenliegers einbringt: „das coolste Hafenmanöver, dass ich hier gesehen habe“. Am nächsten Tag wandern wir auf der hohen Kante der Kreidefelsen durch den zauberhaften Buchenwald bis zum Königstuhl.

  1. Hasle (Bornholm)

Wegen der fast 60 sm langen Strecke nach Bornholm legen wir schon um kurz vor 4 Uhr zum Sonnenaufgang ab uns segeln aus dem Hafen. An der Kreideküste ist vor einem Felssturz eine neue Ost-Tonne, die nicht mal im Navionics aufgenommen ist. Ab dem Königsstuhl sehen wir im Hintergrund sogar die angeleuchteten Kreidefelsen von MØhn. Auf halbem Weg nach Bornholm segeln wir zwischen 2 großen Windparks durch. Der südliche ist schön länger in Betrieb, am nördlichen werden noch Masten aufgestellt. In Hasle bleiben wir 2 Tage und erkunden mit Bus und Leihrädern  Allinge, Teijn und Gudhiem mit der großen Rundkirche von Østerlars. Am Rückweg kämpfen wir bei Starkwind mit den Rädern gegenan zurück zum Hafen.

  1. Frederiksø (Erbseninseln)

Mit leichter Briese segeln wir Richtung Erbseninseln und um die Mittagszeit kommen dessen Türme in Sicht. Jeder einzelne Turm kommt scheinbar schwebend über dem Horizont zum Vorschein und es dauert noch lange, bis wir die Inseln komplett sehen. Wir bergen in dem Sund zwischen Frederiksø und Christiansø die Segel und gehen mit dem Restschwung an Heckboje und Mole. Am nächsten Tag ist Sauwetter und wir besuchen das Museum im Dreifachturm, wo eine Pilz-Zucht-und Sporenausstellung mit sphärischer Didgeridoo-Musik und kreisenden Bildern untermalt ist. Da braucht es keine Magic Mushrooms mehr, um in höhere Welten zu gelangen…

  1. Utklippan (Schweden)

Beim Ablegen von der Heckboje in Frederiksø pendelt das Bootsheck zum Segelsetzen nicht im Wind aus, sondern es stellt sich wegen dem Strom quer, was mich erst mal verwirrt. Nach der Hafenausfahrt sind Wind und Wellen noch erträglich. Später briest es auf und der Seegang wird bei 7 Bft immer gröber. Gut, dass wir unser Sturm-Groß gesetzt haben – wir sind ja nicht auf Regatta, sondern haben unseren ganzen, auch nässeempfindlichen Hausstand dabei. Ab und zu surfen wir die Wellenberge runter oder es schwappt eine Welle in die Plicht. Utklippan ist ein zwischen 3 Felsgruppen betoniertes Becken, das früher den Fischern weit außerhalb der Küste Schutz geboten hat. Hier verbringen wir den nächsten Tag und rudern mit dem dafür bereitgestellten Boot zur Nachbarinsel mit giftgrünen Wasserlöchern und Wechselkröten. Abends am Feuerplatz mit Whisky und Rotwein erkennt uns der Hafenmeister von Großenbrode aus unserer Tour 2022 wieder – so klein ist die Welt. Am nächsten Morgen ist alles taunaß und es gibt einen „Nebelbogen“ in allen Farben.

  1. Kristianopel

Als sich der Nebel lichtet, wagen wir uns raus und können um und auf den Felsen vor der Hafenausfahrt zahlreiche Robben beobachten– sie glotzen uns an, tauchen unter und neben uns wieder auf – ein schönes Erlebnis. Draußen frisst uns der Nebel wieder und wir animieren andere Segler in der Nähe mit unserer Tröte zur Antwort auf den „schaaaaais-ne-bel“ (lang -kurz-kurz). Doch dann ertönt ein ganz tiefes, mächtiges Typhon und der Schreck fährt in die Knochen. Wir rufen bei der Solvejg an, die ein Funkgerät mit AIS haben und bekommen eine Entwarnung: „der fährt vor uns durch“.  Dann reißt der Nebel auf und wir segeln entspannt unserem heutigen Ziel Kristianopel entgegen. Dennoch wird das Funkgerät eine sinnvolle Anschaffung für die nächsten Reise!

  1. Ekenäs

Wegen den unsteten und drehenden Winden verkürzen wir mehrfach unsere geplante Etappe nach Kalmar und landen in dem wunderschönen Ekenäs. Der Holzsteg bietet Platz für unsere Solaranlage und Bea besorgt kühles Dosenbier aus den Privatbeständen einer Künstlerin. Wir beobachten ein Wikingerboot beim Amwindsegeln – ich dachte bisher, damit könnte man höchstens mit halbem Wind segeln – weit gefehlt. Dann bergen sie das Topsegel  und fahren mit dem geringen Tiefgang quer durch alle Tonnen. Erst kurz vor dem Hafen kommt das Vierkant-Hauptsegel runter und die Besatzung geht an die Riemen. Majestätisch pullen sie die letzten Meter an den Steg. Beim leckeren Hering (noch aus Frederiksø), Nudeln und Salat genießen wir das Hafenkino. Dann erkunden wir die Umgebung, denn es ist hier um 23 Uhr immer noch hell.

Freut Euch so nach und nach auf das weitere Geschehen….