Hafenmanöver mit dem Folkeboot unter Segel

Dieser Beitrag ist an Tourensegler gerichtet, die normalerweise unter Motor in den Hafen einlaufen – ausgefuchste Regattasegler bitte nicht weiterlesen – ihr könntet euch sonst langweilen.

Wir sind in die Kunst des Segelns relativ spät eingestiegen und es hat eine Weile gedauert, bis wir wussten, wie Hafenmanöver auch bei widrigen Bedingungen gelingen. Auch kann die richtige Segelauswahl bei Starkwind oder Sturm entscheidend für den Spaßfaktor sein. Ein vorausschauender Wechsel auf ein im Achterliek konkaves Sturmgroß ohne Latten kann nicht nur auf offener Strecke, sondern auch bei den Hafenmanövern ein sehr angenehmes und hilfreiches Mittel gegen unnötigen Verschleiß und Stress sein.

Auf unserer ersten Ostsee-Tour 2008 war der „Nobse“ mit seiner Nuit F-GER 635 unser Meister, der uns um vieles weitergebracht hat. Bei der aktuellen Ostsee-Tour 2022 mit Ruedi und Bea mit der Solveig  F–SUI 40 (Berichte folgen!) haben wir diese Rolle übernommen und selber dabei noch einiges dazu gelernt. Nicht nur im Urlaub in fremden Gewässern mit unbekannten Häfen ist es für den Spaß daran entscheidend, ob man bei den Hafenmanövern überfordert ist oder Freude an der Herausforderung spürt und praktikable Lösungen findet. Oder man kapituliert gleich, birgt verschleißfördernd die Segel draußen vor dem Hafen bei Wind und Welle und verlässt sich auf den Außenborder. Der kann einen aber auch zur falschen Zeit verlassen und dann droht Hilflosigkeit.

  1. Verholen im Hafen

Eine geniale Eigenschaft des Folkebootes mit dem großen angehängten Ruder ist die Möglichkeit, sich damit im Hafen motor– und segellos fortzubewegen. Wenn durch die Pendelbewegung der Pinne mal Fahrt im Schiff ist, sollte man sie immer mal wieder stehen lassen, um ans gewünschte Ziel zu steuern. Wer mit der Pinne zu weit ausholt, bremst oder bricht dabei den Flaggstock ab – alles schon ausprobiert. Hat man einen Dalben erreicht, ist es effizienter, sich dort abzustoßen. Idealerweise sitzt einer an der Pinne und einer steht in Höhe der Want, hält sich dort fest und stößt sich mit einem Bein vom jeweiligen Dalben ab – da steckt viel mehr Wumms drin als im Arm und sieht auch noch sehr elegant aus. Nicht nur beim Verholen sollte die Pinne immer nur maximal bis zum Süllrand bewegt werden – zum einen weil das Ruder sonst zu stark bremst, zum anderen, weil die Pinne sonst auch mal hinter den Dalben einfädeln und dann bei Schwung abbrechen kann. Darauf sollte man auch beim Einfädeln in den Liegeplatz achten.

  1. Ablegemanöver und Hafenausfahrt

Wir suchen uns einen luvseitigen Fixpunkt im Hafen – z.B. einen Dalben,  wo auf einer Seite Platz für weitere Manöver ist. Dann wird dorthin verholt und der Bug auf der Seite, wo man wegsegeln will, kurz angebunden. Nachdem sich das Boot  in den Wind gestellt hat, wird das Großsegel aufgeheißt – die Schot unbedingt nur ganz lose belegen. Dann wird die Fockschot auf der Seite belegt, die der Ausfahrt gegenüber liegt, und hochgezogen. Anschließend wird der Großbaum auf der Ausfahrtsseite back gedrückt, damit sich das Heck etwas dreht und auch die Fock sicher back steht. Jetzt wird der Bug vom Dalben gelöst und seitlich abgedrückt – oder man wartet ab, bis  sich das Boot in leichter Rückwärtsfahrt von der Dalbenreihe frei dreht. Dann die Fock über, das Groß dichter und los geht’s zur Ausfahrt. Solange kaum Fahrt im Boot ist, ist die Steuerwirkung der Pinne nachrangig. Entscheidend ist der Drehimpuls der back stehenden Fock (weg vom Dalben) oder des dicht geholten Groß (hin zum Dalben). Das geht auch, wenn man im spitzen Winkel an der Dalbenreihe im Wind liegt und nur leewärts aus dem Hafen kommt. Wenn man aber schon fast parallel an der Dalbenreihe liegt, bietet sich die Halse direkt von Dalben aus an. Dazu wird wieder das Groß backgedrückt bis die Fock auf der Dalbenseite back steht, ein seitlicher Schubs von Dalben – die Großschot muß hierzu maximal lose sein, sonst luvt das Boot wieder an und es wird nichts mit der Halse – rundachtern und mit achterlichem Wind raus aus der Boxengasse. Falls die Schot mal ganz ausrauscht, nicht nach dem losen Ende greifen sondern das ganze Bündel der Shot packen und damit den Baum herziehen – dann bekommt man auch das Ende zu greifen.
Wenn der Wind von vorne kommt, kann in den Boxengassen meist auch bis zur Ausfahrt aufgekreuzt werden. Dazu muß aber der vorhandene Platz voll ausgenutzt werden – nicht vor lauter Angst zu früh wenden. Falls es am Ende nur in eine Richtung rausgeht, ist es hilfreich, sich schon vorher die Dalben, vor denen gewendet wird, zu merken – nicht daß man hier auf dem falschen Bug ankommt. Sicherheitshalber setzt man dafür Wendewinkel von 90° an. Falls es in der Hafenausfahrt eng wird und man am Wind mit nicht so viel Lage durch will, hilft kurz mal ein Schrick in die Schot und das Boot richtet sich während der Durchfahrt auf. Bei viel Wind haben wir eh genug Schwung. Bei achtlichen Wind kann man das Groß dicht holen, falls es irgendwo eng wird.

  1. Hafeneinfahrt und Anlegemanöver

Rechtzeitig vor dem Einlaufen verschaffen wir uns einen Überblick über die Situation im Hafen aus dem Hafenhandbuch mit einem Luftbild oder zur Not auch mit dem Handy aus Google Maps. Wo ist Platz zum klingeln – wo kann man einen auf Aufschießer zum Segelbergen machen? Wenn irgendwie möglich vermeiden wir das Bergen des Großsegels draußen bei Wind und Welle. Kommt der Wind von vorne, bergen wir unter anderem wegen dem besseren Überblick die Fock und kreuzen mit dem Groß in den Hafen. An einem luvseitigen Dalben machen wir einen Beinahe-Aufschießer und binden den Bug seitlich am Dalben fest. Jetzt können wir in aller Ruhe das  Groß bergen. Entweder zickzack auf den Baum oder auf eine Seite ins Fall und dann von der anderen Seite über den Baum aufgerollt. Zum Bremsen können wir das Ruder wechselseitig quer stellen oder das Groß frühzeitig auffieren oder gar back drücken – zum Beschleunigen wird dicht geholt. So ist ein punktgenaues Aufstoppen möglich. Dann kann an den gewünschten Liegeplatz verholt werden – entweder mit Hand und Fuß am Dalben oder unter Top und Takel. Ist kein Dalben oder sonstiger Fixpunkt vorhanden, kann das Groß auch im freien Wasser unter Restfahrt mit dem Baum auf den Reitbalken abgelegt werden. Dieser wird zuvor z. B. mit einem aufgeschnittenen Isolationsrohr abgepolstet, die Luke aufgeschoben und lange Zeiser auf die Kajüte gelegt. Dann muß mit der Pinne verholt werden. Bei halben Wind kann man die Fahrt in den Hafen durch Öffnen der Shot oder durch Dichtholen verlangsamen – auch das funktioniert! Das Dichtholen vom Groß ist besonders bei achterlichem Wind eine gute Möglichkeit, die Fahrt zu verlangsamen. Nur wenn gar kein Platz ist, muß das Groß bei achterlichem Wind draußen runter und man fährt unter Fock oder bei Starkwind gar unter Top und Takel in den Hafen.

  1. Üben und Rantasten

Am Anfang wird man nicht alle Manöver sofort perfekt hinbekommen – da hilft nur langsam bei idealen Bedingungen rantasten und den Schwierigkeitsgrad steigern. Dank der unlackierten Scheuerleiste entsteht auch kein Schaden, wenn man einen Dalben mit etwas zu viel Schwung touchiert. Man kann mal üben, beim Ablegen mit back stehender Fock und back gedrücktem Groß erst mal ein Stück rückwärts zu segeln (Ruderlage beachten). Vertrauen schafft auch das Klingeln über Wenden und Halsen auf engster Stelle mit dicht geholten Schoten, ohne diese überhaupt anzufassen. Ohne Fock nur mit dicht geholtem Groß lässt es sich nicht nur genau an einen Dalben oder sonstigen Fixpunkt rantasten, sondern auch im engen Fahrwasser z. B. bei Gegenverkehr mehr oder weniger auf der Stelle stehen bleiben. Wenn es sehr eng zugeht, lassen sich damit Wendewinkel (das was nach Abdrift auf dem Plotter übrig bleibt) von bis zu 120° fahren.
Wer beim Navigieren Fehler macht und unbeabsichtigt „Land kauft“- bestenfalls im Schlamm stecken bleibt, sollte sofort die Segel bergen, um nicht noch weiter in Schräglage aufzulaufen. Dann bietet es sich an, daß einer über Bord geht und mit aller Kraft den Bug durch den Wind dreht – das Ende des Kiels ist hier die tiefste Stelle und damit auch der Drehpunkt vom Boot. Wenn das nicht gleich klappt, kann der/die an Bord gebliebene durch Gewichtsverlagerung mithelfen. Dann aufs Boot klettern, Segel setzen, maximal krängen und sich frei segeln – geht doch!

Seit unserer Rückkunft aus dem Ostsee-Urlaub mit defektem Außenborder hängt dieser nach mehreren Reparaturversuchen in der Werkstatt und wir lassen uns Zeit, zu überlegen, ob wir noch mal einen Versuch starten, ob wir einen Neuen kaufen,  auf einen E-Motor umsatteln oder ganz darauf verzichten. Vielleicht reicht ja auch ein Wrigg-Riemen, wie in der Bastian Haug auf einer Langfahrt benutzt hat? Noch ist alles offen – deshalb haben wir uns weder die Ostsee-Tour, noch den Rest der Segelsaison am Bodensee vermiesen lassen. Der Außenborder wird eben überbewertet!

Bernd Miller, Flotte Bodensee, Kleiner Blaupfeil F GER 998

Bilder:

  1. Aufkreuzen mit Fock und Sturmgroß im Hafen von Stubbeköbing 2011  (Foto: Olaf Jahnke)

  1. Hafenmanöver üben in Roßkilde 2022  (Foto: Isolde Miller)