Wanderung bei typischem Herbstwetter

Immer, wenn es auf dem See ruhiger wird, wenn die Motorboote, Wakeboarder und Funtuber mit dem Umpflügen des Wassers fertig sind, wenn sich die letzten Zugvögel für die Reise in den Süden sammeln und wenn die kühleren und kürzeren Tage an Land die Blätter der Bäume bunt werden lassen, dann ist es Zeit für die Herbstwanderung unserer Flotte. Dieses Jahr haben Isolde und Norbert nach Nonnenhorn eingeladen.

Weil mir diese Herbsttage oft schon die schönsten Erlebnisse auf dem See beschert haben, spiele ich mit dem Gedanken, am Samstag mit der Solvejg nach Nonnenhorn zu segeln. Mein Zettel für den Samstagmorgen ist jedoch zu voll und ein fixer Ankunftstermin beim Segeln, wenn ich sozusagen gegen die Uhr fahren muss, das ist nicht mein Ding. Das kann mir den schönsten Tag vermiesen. Also habe ich umdisponiert. Ich werde am Sonntag früh mit der Fähre von Romanshorn nach Friedrichshafen fahren, um von da mit meinem Drahtesel nach Nonnenhorn zu radeln. Das ist eine angenehme, kurzweilige Strecke. Etwas erstaunt bin ich schon, als ich an diesem unbeschwerten Sonntagmorgen auf einem nur schwach befahrenen Radweg von weitem eine Verkehrskontrolle, unschwer an deren gelben Leuchtwesten zu erkennen, ausmachen kann. Erst aus der Nähe kommen mir die Gesichter der PolizistInnen dann doch einigermassen bekannt vor: Martina und Oliver ist dieser Spass perfekt gelungen, – was haben wir gelacht.

Am vereinbarten Treffpunkt beim Bahnhof Nonnenhorn angekommen, bin ich über die versammelte Menschenmenge leicht verwundert. Sage und schreibe 19 Personen haben sich für die Wanderung eingefunden. Und um es gleich vorwegzunehmen, mit der «Aussichtsrunde rund um Nonnenhorn» hat man uns nicht zuviel versprochen. Am Friedhof vorbei, –  dort wo ich mich am Ende meiner Tage auch noch hinlegen würde, wenn mir diese grandiose Aussicht über den See zu jenem Zeitpunkt gewiss wäre,- über geschmeidige Feldwege durch Weinberge und Obstanlagen bis zu unserm ersten Halt… Genau, den Becher oder ein Glas, ich habe das vergessen oder nirgends davon gelesen. Zum Glück hilft Norbert damit aus, sonst wäre ich doch glatt um einen köstlichen, perlenden Tropfen gekommen. Danach wandert es sich noch viel beschwingter, vorbei an modernen Obstanlagen, an zwar selteneren, aber viel schöneren Streuobstwiesen mit wunderbaren, uralten Birnbäumen. Von Isolde, der ortskundigen und fachlichen Expertin auf diesem Gebiet, kann man während der Wanderung einiges über diese ökologisch wichtigen Habitats-Strukturen erfahren.

Aus der Ferne scheint es mir eine recht weite Strecke bis zu diesem «Berg» mit der Antoniuskapelle. Aber die zu erwartende Aussicht und der angekündigte zweite Tropfen-Halt sind dann doch Motivation genug, den Weg klaglos unter die Füsse zu nehmen.

Nach dem «Abstieg» erzählt uns Eckhard in Retterschen über die eindrückliche, im Jahr 799 erstmals erwähnte Hofanlage Milz, mit ihrem eindrücklichen Bauerngarten, der Streuobstwiese und den Nebengebäuden. Nur vage kann ich vermuten, welche Mühe und Aufwand dahinter stecken muss, ein solches Juwel für die Nachwelt zu erhalten.

Im Rädle findet diese Herbstwanderung bei einem zünftigen Zvieri, wie man die Brotzeit auf berndeutsch nennt, ihren würdigen Abschluss. Ganz herzlichen Dank an Isolde, Norbert und Eckhard für diesen gelungenen Anlass und an alle Beteiligten für die guten Gespräche und die fröhliche Unterhaltung.

Ich für meinen Teil komme einen Tag später, an einem sprichwörtlich blauen Montag, auch mit der Solvejg noch auf meine Rechnung, weil ich mir einen so schönen Herbsttag auf dem Folkeboot nicht nehmen lasse.

Euer
Ruedi Wüthrich